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PERLMUTTER _ Museum Adorf

2020

Architektonisches Konzept

LEITIDEE - STÄDTBAU - DENKMALSCHUTZ

Wie schließt man baulich eine im Mittel 10m-breite Lücke zwischen zwei eigenständigen, denkmalgeschützten Gebäuden und einer Stadtmauer im Rücken? Eine klassisch geschlossene Bebauung schlossen wir von Anfang an - aus Respekt vor dem historischen Bestand - aus. Somit kam nur noch die eigenständig, lastabtragende Setzung eines solitär gebauten Volumens in Frage.

Das Erdgeschoss zeigt sich dem Besucher komplett gläsern. Der Eindruck der städtebaulichen Lücke, mit den aufstrebenden historischen Außenwänden, zwischen Freiberger Tor und Graben 2, bleibt somit erhalten.

Für die vertikale Erschließung wird quer zum Kassenbereich eine geradläufige Treppe mit einem angeschlossenen Aufzug angeordnet. Die Treppe wird auf den jeweiligen Höhenkoten zur Erschließung des Freiberger Tores durch Podeste unterbrochen und erlaubt somit die Erreichbarkeit des Heimatmuseums sowie der Perlmutterausstellung vom zentralen Eingangsfoyer aus. Eine behindertengerechte Anbindung lässt sich durch die durchgesteckte Fahrstuhlvariante mit halbgeschossig versetzten Ausstiegen realisieren.

Da das Ausstellungskonzept im Dachgeschoss von Graben 2 mit seinem ersten Themenschwerpunkt beginnt, muss die Erschließung mittels Aufzug und Treppe bis auf die Dachgeschossebene geführt werden. Aus der geometrisch notwendigen Länge der Treppe entwickelt sich somit eine in ihrer Breite eher schmale, markante, dreigeschossige Kubatur, welche den zentralen Eingangsbereich im EG markiert und gleichzeitig mit ihrem Überstand als Schutzbereich für Besucher fungiert.

Es gibt weder Ecken noch Kanten. Die weichen Übergänge und die schillernde, geschlossene Haut nehmen sich zum einen im Denkmalkontext zurück, signalisieren aber gleichzeitig: „Hier ist ein besonderer Ort“. Das Fassadenmotiv spielt surreal in seiner Erscheinung und Materialität mit den Museumsinhalten der Perlen und des Perlmutts.

Die derzeit im Erdgeschoss massiv gemauerte und im Obergeschoss nur als offenes Fachwerk vorhandene Giebelwand vom Graben 2 hatte ursprünglich eine sehr regelmäßige Lochfassade, mit fassadenbündigen Kastenfenstern in den Obergeschossen und Öffnungen mit Granitgewänden im Erdgeschoss.

Das Gestaltungskonzept für das EZP geht nunmehr davon aus, den denkmalgeschützten Bestand im EG zu bewahren, die verlorengegangene Giebelwand in Ihrer historischen Gliederung nachzuempfinden, aber nicht originalgetreu nachzubauen. Die Öffnungen erhalten putzbündige, auf thermisch getrennten Stahlprofilen geklebte transluzente Scheiben. Da die Gebäudenutzung keine natürliche Belüftung benötigt, lässt sich diese reduzierte Konstruktion als „Kasten-“ Konstruktion im Innenraum fortsetzen. Der natürliche Lichteinfall wird nutzungsabhängig deutlich gesenkt, kann über Folien oder Rollos im Zwischenscheibenbereich komplett vermieden werden. Schatten und Lichtstimmungen können nach außen inszeniert werden (Weihnachtsschmuck, Deko).

FUNKTIONALITÄT

Das EZP empfängt seine Besucher in einem gläsernen Foyer, welches die gesamte Breite der vorhandenen Lücke zwischen Graben 2 und Freiberger Tor ausfüllt. In den seitlichen Bereichen an den Bestandsfassaden überhöht sich die Foyerhalle auf die zweite Geschossebene, unterstreicht den großzügigen Raumeindruck und erlaubt Ein- und Ausblicke.

Ein schlichter, sieben Meter langer Empfangstresen wird im Regelfall von einer Museumsmitarbeiterin bedient und vereint die Kassen-, Touristinfo- und Shopfunktion. Von hier aus löst man den Eintritt zur Perlmutter, als auch zum künftigen Heimatmuseum im Freiberger Tor. Ein seitlicher und rückwärtiger Bereich an der erlebbaren alten Stadtmauer dient als Auslage und SB-Shopbereich.

Dem Wunsch nach einem inszenierten Flusslauf würden wir gern mittels eines Lichtbodens aus Feinbetonplatten mit transluzenten Lichtleitern und hinterlegten LED-Boards entsprechen. Diese relativ simple und robuste Form einer animierten Bildwiedergabe im Fußbodenbereich lässt sich partiell in eine Fußbodengestaltung einbinden und wird als "begehbarer, flimmernder und fließender Fluß" Jung und Alt bereits im Eingangsbereich atmosphärisch in seinen Bann ziehen. Konzeptionell wäre auch vorstellbar, in den Übergangsbereichen der Ausstellungsgeschosse dieses Thema wiederkehren zu lassen. Aus unserer praktischen Erfahrung ist der Lichtboden äußerst wartungsarm und durch seine variable Bespielbarkeit flexibel auf sich änderte Anforderungen anpassbar.

Der vorliegende Entwurf weicht in zwei Punkten von den Vorgaben des Raumprogramms ab. Der Entwurf der Lückenüberbauung hat, typologisch bedingt, eine geringere Nutzfläche als in den Raumprogrammvorgaben ausgewiesen, dafür aber ein 3.Obergeschoss. Wir schlagen aus diesem Grund vor, die Museumspädagogik aus Belichtungsgründen nach oben zu verlegen.

Die Verwaltung, Museumsleitung und Personalräume sehen wir idealerweise im Erdgeschoss des Graben 2. Die Anordnung im EG erlaubt einen eigenständigen Nebeneingang für die Mitarbeiter, welcher speziell an den Schließtagen oder außerhalb der Öffnungszeiten, unabhängig vom Sicherheits-/Alarmkonzept, benutzbar ist. Eventuell wäre von hier aus auch eine Anbindung einer optionalen Nutzung für das dahinterstehende Abrissgrundstück denkbar.

Das Ausstellungskonzept kann somit wie gewünscht im Dachgeschoss von Graben 2 mit dem ersten und zweiten Grundbaustein beginnen und hangelt sich ohne Unterbrechung oder Nebennutzung bis zum Finale des Kleinen Blauen Wunders mit Filmvorführung im 1.Obergeschoss des Neubaus. Über die Brüstung der Erschließungsbrücke hat der Besucher wieder Blickkontakt in die Foyerhalle.

Diese logische Abfolge ist unseres Erachtens im Sinne der Orientierbarkeit und Szenografie pragmatisch, aber auch nachhaltig, weil Sie für die Zukunft auf Änderungen oder Ergänzungen flexibel reagieren kann. Der Wechsel, aus atmosphärischen Eindrücken des Altbaus, Ruhebereichen mit Ausblicken in die Landschaft sowie größtmögliche Gestaltungs- und Flächenausnutzung des Neubauteils (Lasteintragung u.a.), bieten ein breites Potential für die Fortschreibung des Ausstellungskonzeptes.

Wieder im Foyer angekommen bleibt Zeit für Kaffee und Snacks im SB-Verpflegungsbereich. Im darunter liegenden Untergeschoss befinden sich die WCs, ein Garderobenbereich und die Technikzentrale.

MATERIALITÄT

Die primäre Tragkonstruktion des Neubaus, bestehend aus lastabtragenden Wänden, Stützen und auskragenden Decken wird als monolithische, Stahlbetonkonstruktion ausgeführt. Die weich anmutende amorphe Fassadenoberfläche wird als geschlossener, aus der Distanz fugenlos erscheinender, Glasmosaikfliesenbelag hergestellt. Die wollfarbene irisierende Haut spiegelt und reflektiert Licht und Umgebung und baut bewusst Assoziationen zum Thema der Perlen und des Perlmutts auf.

Das massive, erhabene Sockelgeschoss des Altbaus wird nach historischem Vorbild mit einem glatten, naturfarbenen Kalkputz behandelt, während die dezent zurücktretenden Obergeschosse einen vierlagigen Sumpfkalk-Glattputz mit geseifter Oberfläche, für eine schimmernde, leicht wasserabweisende Oberfläche, erhalten.

Die nachträglich wieder aufgebaute Lochfassade der Obergeschosse des Giebels, als derzeit nicht erhaltenes, bauzeitliches Element, interpretieren wir zeitgenössisch. Es gelingt eine Transformation der alten Proportion, für eine erkennbar neue Nutzung.

Im baulichen Ensemble von Stadtmauer und Freiberger Tor entsteht somit, bei allem gebotenen Respekt vor erhaltenswerter historischer Substanz, auch etwas „Neues“.

Der Anspruch des Bauherren nach einer Image bildenden Adresse mit einem hohen Alleinstellungsfaktor tritt als Genius loci, als "Geist des Ortes" in Erscheinung, an welchen man sich als Gast gern und lang erinnern wird.

Auszeichnung

2. Preis

Veröffentlichung

www.competitionline.com/de/news/ergebnisse/wettbewerbsergebnis-museum-383926/prizegroup/2-preis-130533.html

Mitarbeiter

Sven Winkler

Modellbau

Kroh

Typologie

Kultur

Verfahrensart

Realisierungswettbewerb

Auslober

Stadt Adorf

All fine.