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Diese Rubrik wird momentan vollständig neu gestaltet und steht Ihnen in Kürze wieder zur Verfügung.

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P L A U E N _ E I N E   E U R O P Ä I S C H E   S T A D T ?                                                                                                                                                                                                                Plauen, den 18.07.2016

Zugegeben. Plauen auf eine Stufe mit den großen europäischen Metropolen zu setzen, wirkt auf den ersten Blick ziemlich weit herbeigeholt.

Es geht im Weiteren aber um den Begriff. Die wissenschaftliche Einordnung der "Europäischen Stadt". Ihre Herkunft, ihr Wesen sowie ihrer Potentiale, für die in einer Region ansässigen Gesellschaft.

Der Beginn städtischen Lebens ging einher mit den Begriffen "Markt" und "Wirtschaft", sowie erster Selbstverwaltungsaufgaben. Die ersten Städter mussten nicht mehr tagtäglich mit Ackerbau und Viehzucht ums eigene Überleben kämpfen. Stadtgründungen und Stadtwachstum waren und sind bis heute eng mit den wirtschaftlichen und geografischen Potentialen von Regionen zur Erzielung eines Mehrwertes verbunden. Kreuzungen bestehender Handelsstraßen, Flussübergänge, sturmgeschützte Meeresbuchten aber auch beispielsweise Rohstoffvorkommen beschleunigten das Entstehen von Stadtstrukturen und ermöglichte das Aufbrechen geschlossener Kreisläufe der bäuerlichen Hauswirtschaft als Existenzgrundlage hin zum freien Tausch auf dem Markt. Das Bürgertum emanzipierte sich und befreite sich von den Fesseln feudaler Abhängigkeiten. Somit ist die europäische Stadt auch ein zutiefst revolutionärer Ort.

Die wichtigste Änderung städtischer Entwicklung brachte die Industrialisierung. Durch den Bau der Eisenbahnen wurde die Verkehrszentralität von Städten neu definiert. Bisher eher abseits liegende Städte, die viele Bahnlinien an sich ziehen konnten, wurden zu wichtigen Zentren, andere Städte gingen den entgegengesetzten Weg. Die industrielle Revolution stellte die jeweiligen städtischen Ökonomien auf völlig neue Grundlagen. Städte, die sich der Ansiedlung von Industrie öffneten, wuchsen aufgrund des Arbeitskräftebedarfs der Fabriken rasch an; Städte, die sich der Entwicklung verschlossen, blieben in ihrem Wachstum zurück. Die städtebauliche Entwicklung sprengte die engen Grenzen der vorindustriellen Stadt, die Einrichtung innerstädtischer Verkehrssysteme wurde erforderlich.

In diesem Kontext wuchs die Einwohnerzahl Plauens von seiner ersten urkundlichen Erwähnung 1122 und der Verleihung des Stadtrechts 1224 (vgl. Leipzig 1015, Zwickau 1212, Weimar 1348, Dresden 1403) bis 1912 auf über 128.000 an.

In der relativ kurzen Zeitspanne der Industrialisierung zwischen 1880 bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 nahm Plauen auch in seiner Gestalt europäische Züge an.

Die Stadtkrone von Rathaus, Kirche, Markt und Theater als Abbild der politischen, ökonomischen und kulturellen Zentralität der Stadt, die fortschrittliche Form des Wohnen, Arbeiten und Erholen, inmitten einer geplanten Stadtstruktur, von erlesenem gestalterischen Anspruch des Bürgertums.

Textilindustrie und Maschinenbau, Innovation und Handel, Wohlstand und Wachstum prägten ein Image Plauens als wirtschaftlich erfolgreiche, innovative und weltoffene Industrie- und Kulturmetropole im westsächsischen Raum.

Die europäische Stadt ist nicht organisch gewachsen. Ihre gebaute Gestalt, ihre Lebensbedingungen, ihre sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen sind nicht zu begreifen ohne das Wirken von Stadtplanern und ohne die umfangreiche Regulation des Sozialstaats: das ausgefeilte Instrumentarium der Bauleitplanung, die öffentlichen Kultureinrichtungen, die sozialen und technischen Infrastrukturen, den Wohnungsbau, die Sozial- und Wirtschaftspolitik von Staat und Kommune.

1912: Plauen auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung. Alle strukturellen Elemente der Europäischen Stadt fanden sich hier wieder. Die Dynamik ihrer Entwicklungsgeschichte zog, ähnlich einem Magneten, immer neue Akteure an.

2016: Plauen_eine Europäische Stadt? Der einstige Glanz ist verblasst. Die Stadt hängt sich ab.

Langfristige städtebauliche Rahmenplanungen gibt es kaum. Politische Entscheidungen werden im Status quo klammer Kassen getroffen oder einfach zerredet. Zusammenhänge verkannt. Prioritäten unangemessen gesetzt. Verantwortlichkeiten delegiert.

Die Kausalität zwischen steigender Attraktivität einer Stadt und steigender Wirtschaftskraft ist eine Gesetzmäßigkeit, die in den Genen dieser Stadt eigentlich historisch fest verankert ist.

Einiges ist noch vorhanden, wenn man mit offenen Augen und einer gesunden Vorstellungskraft durch die Straßen geht.

Aber leider ist das meiste, das die Atmosphäre der Stadt einst auszeichnete, nur noch auf Schwarz-Weiß-Bildern zu entdecken: der allgegenwärtige Anspruch, einzigartig zu sein.

Wie wäre es wohl, als Zeitreisender nur einen Tag lang den Spirit und die Dynamik von damals miterleben zu dürfen?

Aus heutiger Sicht kaum vorstellbar.

Und dennoch glaube ich daran, dass man sich heute mehr denn je an den Grundmustern der Europäischen Stadt der Gründerzeit orientieren kann, ja sogar muss, wenn man im Wettbewerb, als überregionaler Wirtschaftsstandort bestehen will.

Es braucht nicht viel. Aber nur „Durchschnitt“ reicht eben nicht...

                                                                                                                                                                                                                                                                                                        R O N N Y   N E U M A N N

 

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All fine.